Prof. Buchruckers Rede

Eröffnungsrede des Herrn Prof. A. E. Buchrucker zur Ausstellung «Maria Krull», Galerie Palette, Röderhaus, Wuppertal, Ausstellung 30 März-10 Mai 1967

Galerie Palette,  Sedanstraße 68, Wuppertal (https://de.wikipedia.org/wiki/Sedanstrasse68)

 

Verehrte Frau Krull, meine Damen und Herren!

Auch das gibt es, dass ein Mensch mit 52 Jahren zur Erkenntnis kommt, Du musst Dein Menschsein als Künstler verwirklichen. Aus Gartenlauben Romanen und anderen Künstlerbiographien kennen wir ja nur solche Künstler, die schon im Kindergarten künstlerische Talente entwickelten, das natürlich auf den Urgroßvater väterlicherseits zurückzuführen ist. Dann aber taucht in den Romanen der sehr arme oder verständnislose Vater auf, der unter keinen Umständen will, dass der Sohn den ungesicherten Beruf ergreift. Bis schließlich die Mutter verständnisvoll die Sache ausbalanciert.

Auch das gibt es, dass ein Mensch mit 52 Jahren zur Erkenntnis kommt, Du musst Dein Menschsein als Künstler verwirklichen und dass dieser Mensch nach 12 Semestern Ausbildung in plastischen Gestalten und Formen über Nacht die Farbe entdeckt und sich sagt, Du musst malen. Jetzt folgen aber keine 12 Semester Malunterricht. Nein, denn das Malen geschieht autodidaktisch. Kann man das jedoch, im Ernst, noch autodidaktisch nennen, wenn ein Mensch im plastischen Gestalten vollständig ausgebildet ist. Auch das gibt es, dass ein Mensch, der auf der Leinwand Farben in Funktion setzt, das nicht tut, ohne vorher, in einer ganzen Reihe von Skizzen, in der Regel naturalistischer Art, experimentiert und überlegt zu haben. Ja, meine Damen und Herren, man kann auch durch einen Zeichenaufbau Überlegungen anstellen, wie man auf der Leinwand die Farben endgültig in die Form setzt und wie man die Kräfte verteilt.

Meine Damen und Herren, denn auch das gibt es! Sprechen wir von Maria Krull, die sich mit ihrer Ausstellung die heute eröffnet wird, den Wuppertalern zur Diskussion stellt. Maria Krull ist geborene Österreicherin, lebte dann lange Zeit in Hamburg und eben jetzt in Ladispoli. Wir alle wissen, dass dieser Ort in Italien liegt, nördlich von Rom, in einer bezaubernden Landschaft. Was viele grundsätzlich jener Landschaft nachsagen, wenn sie Italien kennen. Die Landschaft von Ladispoli gehört zu den eigenartigsten, den geheimnisvollsten, den kulturgeschäftigsten im ganzen italischen Raum. Es ist der etruskische Bereich, die etruskische Landschaft, die Landschaft ganz nahe bei Cerveteri, dem alten Caere der Etrusker, bei dem Cerveteri das sich mit keinem anderen Ort vergleichen lässt.

Wohl musste jede Stadt der Etrusker nach religiösen Vorstellungen gegründet werden und wohl hatte jede Stadt der Etrusker sakrale Züge, aber hier bei Caere und damit bei Ladispoli, hat die ganze Landschaft, wenn man so sagen darf, sakrale Züge und ich meine von meinen Studien dort unten her betrachtet, auch die Menschen,  also die Nachfahren der Etrusker. Die Landschaft von Cerveteri ist die Landschaft für Maria Krull und diese Menschen im Gebiet um Cerveteri, sind die Menschen für Maria Krull, die sich von Anfang an für den Menschen in ihren künstlerischen Schaffen interessierte.

Sie gestand mir vor einigen Tagen, in unserem langen interessanten Gespräch, dass sie schon als Kind, von Köpfen fasziniert gewesen sei. Sie erinnert sich bestens daran, nein, sie sieht es noch vor sich, wie die Juden zur Synagoge gingen. Sie sieht noch ihre Köpfe, ihre Gesichter. Sie hat sich als Kind, an die Wand eines alten Hauses gegenüber einer Synagoge gelehnt um am Sabbat, die Köpfe dieser Juden sehen zu können. In Ladispoli sieht Maria Krull jetzt die Köpfe der Nachfahren der Etrusker. Sie steht nicht mehr an der Wand eines alten Hauses oder an einem Gartenzaun um sie zu sehen, denn sie spricht mit den Menschen in der alten etruskischen Landschaft.

Einige dieser Köpfe, sehen Sie hier, es sind von ihr sogar Köpfe gemacht, mit dem den Titel «Sakraler Kopf». «In den Köpfen dringt die Urwelt in mich hinein» hat mir Maria Krull vor einigen Tagen gesagt. «Es kommt mir auf das Ausstrahlende an, wenn etwas Ausstrahlendes von einem Menschen, von einer Landschaft ausgeht, ist der Mensch, ist die Landschaft nicht hässlich». Das Ausstrahlende ist für Maria Krull ein Teil der Vollkommenheit, ein Kontrapunkt zur Hässlichkeit – etwas vom geistigen Ausdruck. Wir verstehen, dass ihr das nicht in ganz jungen Köpfen begegnet.

Meine Damen und Herren, wenn Sie nach Ladispoli kommen und von dort den Weg zu Fuẞ zur etruskischen Nekropole gemacht haben, den Weg durch diese so geheimnisvolle Landschaft und in das Dunkel eines Tumulus getreten sind, dann, ja dann klingen in einem die Eindrücke einer Landschaft nach. Sie klingen farblich nach. Man trägt bei sich die Impressionen dieser Landschaft. Man trägt sie mit in die Grabkammern hinein. Maria Krull hat diese Impressionen von außen in Farben übersetzt, wobei für sie die Farben Ausdruck des Gesichtes sind. Sowie beim plastischen Gestalten der plastische Stoff Ausdruck des Gesichtes ist.

Hier müssen wir zum Eigentlichen im Wesen der Künstlerin kommen. Mit den Impressionen der etruskischen sakralen Landschaft verbinden sich bei Maria Krull Visionen, die ebenfalls durch die Umgebung ausgelöst sind. «Ich habe mit der Malerei angefangen um Eingebungen festzuhalten». Dieser Satz von ihr ist imminent entscheidend, wobei dann zu berücksichtigen ist, dass die Erkenntnis, mit Malen zu beginnen 1961 in Italien, dort bei dem alten etruskischen Caere über Nacht für Maria Krull kam.

“Sakrale Impressionen” nennt sie eine ganze Reihe ihrer Bilder. Das damit Meditation verbunden sein muss, das leuchtet Ihnen ohne weiteres ein. Es gehört dazu auch ein Warten können auf die Eingebung: ein schöpferisches Passieren. Es gehört dazu ein sich freimachen von jeder Beeinflussung anderer Künstler. Da kommen dann von selbst die tanzenden Figuren und Torsen, da vorne in einem Bild. Das Bild heißt «Freude und Trauer» und es sind die Tänzerinnen darauf mit Nachklängen der Tänzerinnen in der etruskischen Malerei wie mit Freude und Trauer zugleich.   Da kommt dann von selbst das Geometrische in die Bilder hinein. «Erinnerungen an Holland», in dem kleinen Kabinett rechts von mir und alles bleibt immer maßvoll und ausgewogen.

Maria Krull sagt, «ohne das Maßvolle wird nie etwas in Ordnung sein». Wir würden, meine Damen und Herren, ein wesentlichen Moment bei Maria Krull unterschlagen, wenn wir nicht darauf hinwiesen, dass sie eine Bestätigung ihrer Gedankengänge bei Rudolf Steiner gefunden hat. «Seitdem ich Steiners Weltanschauung begegnet bin, verwerte ich alles besser». Wir dürfen freilich nicht den gefährlichen Lapsus begehen und sagen, Maria Krulls Bilder sind anthroposophische Malerei. Das würde die Künstlerin aufs entschiedenste zurückweisen und es stimmt auch nicht im Bezug auf die Anthroposophie, das haben einige von ihnen gehört als ich vor einem Jahr über Klee und die Anthroposophie sprach.

Kommen wir zum Abschluss, meine Damen und Herren.  Die Gruppe rbk, die in der Galerie der Maria Krull ihre Ausstellung gehabt hat und vorher in der Türkei war, bei der Gerd Hanebeck gegenwärtig war, sowie auch der deutsche Botschafter und andere Herren der Wirtschaft, stellt die Bilder der Maria Krull aus dem Jahre 1966/67 aus. Maria Krull stellt sich damit den Wuppertalern zur Diskussion. Von Ihnen, als Besucher und Betrachter, verlangt die Künstlerin, dass Sie sich mit ihren Arbeiten auseinandersetzen. Sie kann dieses mit Recht verlangen. Meinen Sie nicht auch? Die Ausstellung «Maria Krull», Ladispoli, Italien ganz in der Nähe bei Cerveteri in der sakralen geheimnisvollen etruskischen Landschaft, sei hiermit eröffnet.